Archiv der Kategorie: Gesellschaft

Die Briefmarke zur Bibel

Ehre, wem Ehre, beziehungsweise Briefmarke, wem Briefmarke gebührt! Zum Beispiel der Deutschen Bibelgesellschaft, die am 11. September ihren 200. Geburtstag feiert. Das Geschenk der Post: eine Sonderbriefmarke im Wert von 85 Cent. Happy Birthday!

Wobei, das muss man wissen, die Deutsche Bibelgesellschaft aus der Württembergischen Bibelanstalt hervorgegangen ist. Die ihrerseits einmal „Privilegierte Württembergische Bibelanstalt“ geheißen hat. Weil König Friedrich I. selig 1812 zu ihrem Einstand auch nicht mit leeren Händen kam, sondern mit dem Privileg – der Portofreiheit. Damit ist’s zwar schon lange vorbei. Aber immerhin kann die Deutsche Bibelgesellschaft nunmehr ihre Sendungen quasi mit einer Eigenmarke frankieren und sie so in einer perfekten Corporate Identity auf den Postweg bringen. Gewollt oder ungewollt: Was mit einem postalischen Privileg begann, setzt sich 200 Jahre später mit einem ebensolchen fort, nur dass dieses jetzt nicht mehr königlich und nicht mehr kostenlos ist. Happy Birthday!

Ach ja, und die 85 Cent passen auch! Weil man mit 85 Cent Bücher und mithin auch Bibeln verschicken kann, sofern diese zusammen nicht mehr wiegen als 500 Gramm. Was für mein Buch der Bücher so freilich nicht gilt. Jedenfalls ist die Briefwaage beim Wiegeversuch grad eben unter seiner Last fast zusammengebrochen. Aber ich will sie ja auch gar nicht loswerden, sondern behalten: „Die Bibel – Nach der Übersetzung Martin Luthers neu bearbeitet“ und herausgegeben von der Deutschen Bibelgesellschaft.

Apropos gewollt oder ungewollt: Die Sonderbriefmarke zum 200. Geburtstag der Bibelgesellschaft ist brandaktuell. Indem sie jenen Abschnitt aus Lukas 2,21 zeigt, der so lautet: „Und als acht Tage um waren und man das Kind beschneiden musste, gab man ihm den Namen Jesus.“ Nein, 2011, als das Postwertzeichen entworfen wurde, gab’s die Diskussion um die Beschneidung noch nicht! Aber wer weiß: Vielleicht hatte damals schon der Heilige Geist in weiser Voraussicht seine Hand mit im Spiel. Ich jedenfalls würde dem Landgericht Köln und jenen, die sein die Beschneidung als Körperverletzung einstufendes Urteil gut finden, Briefe nur noch mit der Bibelgesellschafts-Jubiläumsmarke zukommen lassen, auch wenn für einen Brief bekanntlich 55 Cent ausreichend sind.

Zu guter Letzt: Wer hat eigentlich vor der Deutschen Bibelgesellschaft auch schon eine 85 Cent-Marke erhalten? Unter anderem der Deutsche Chorverband. Der dafür allerdings bloß 150 Jahre alt werden musste. Aber was ist schon ein halbes Jahrhundert, wo es doch gerade in der Bibel heißt: „Tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist“ (Psalm 90,4)?

Happy Birthday! Und, wie gesagt: Ehre, wem Ehre, beziehungsweise Briefmarke, wem Briefmarke gebührt! Der Deutschen Bibelgesellschaft und mit ihr der Bibel allemal.

Das meint Koch. Und was meinen Sie?

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , ,

Unterste Schublade

2:1 hat Deutschland bei der Fußball-Europameisterschaft gegen die Niederlande gewonnen. Gehen wir trotzdem kurz noch in die Verlängerung und sagen: Da müssen jetzt aber einige in Sack und Asche gehen! Weil im Blick auf Mario Gomez ein „Hosianna!“ heute nach dem „Kreuziget ihn!“ von gestern nicht genügt. Als zum Beispiel ARD-Kommentator Mehmet Scholl nach dem Portugalspiel den angeblich lauffaulen Stürmer mit Häme übergoss: „Ich hatte zwischendrin Angst, dass er sich wundgelegen hat, dass man ihn wenden muss.“ Gebührenfinanzierte unterste Schublade ist so etwas und nebenbei auch noch eine Beleidigung all jener Menschen, die auf Pflege angewiesen sind! Und dann plötzlich nach zwei Gomez-Toren gegen die Holländer: „Ich bin stolz auf Mario!“ Dabei hat der sicher auf etwas ganz anderes gewartet hat, nämlich darauf: „Tut mir leid! Ich hab einen verbalen Griff ins Klo getan. Es soll nicht wieder vorkommen.“ Dazu aber hat sich Scholl bis heute nicht entschließen können. Dabei heißt es im Sprichwort doch: „Abbitte ist die beste Buße.“

Man kann sich aber auch beim „Hosianna!“ im Ton total vergreifen. Kein Wunder, dass es wieder einmal der Bildzeitung passierte: „Gigant Gomez. Seine Liebe. Sein Körper. Seine Wut.“ Schwachsinn pur! Aber auch da wird natürlich keine Abbitte erfolgen.

Dabei sind Fußballspieler doch auch nur Menschen, und so sollte man sie behandeln. Häme jedenfalls haben sie nicht verdient, und der Heldenstatus tut ihnen nicht gut. Weil sie oft morgen schon vom Sockel gestoßen werden. Hoffentlich nicht Mario Gomez am Sonntag gegen Dänemark.

Das meint Koch. Und was meinen Sie?

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , ,

Eins zu null für die Integration

Und was meinen Sie? Ich selber jedenfalls finde es echt schade, dass sich Jogis Jungs bei der Nationalhymne teilweise in Schweigen hüllen. So geschehen und gesehen bei Deutschland gegen Portugal, unserem ersten EM-Spiel 2012. Wo sich bei „Einigkeit und Recht und Freiheit“ vor allem die Spieler mit einem so genannten „Migrationshintergrund“ der Stimme enthalten haben. Integration, die als Vorbild dienen könnte, sieht, glaube ich, anders aus.

Aber wahrscheinlich muss ich den Anstoß hier wiederholen und versuchen, den Ball so ins Spiel zu bringen: Natürlich ist es jedermanns ureigenste Sache, bei der Nationalhymne mitzusingen oder nicht. Zumal mit dieser Hymne in der Vergangenheit auch schon kräftig Schindluder getrieben worden ist. Und auch das wäre ein plausibler Grund für die Singverweigerung, wenn es jemand kurz vor einem wichtigen Match einfach nicht nach Singen zumute ist. Oder wenn jemand überhaupt nie singt, weil er nicht singen kann. Was zumindest in der Kirche freilich niemand zu stören scheint. Franz Grillparzer, der Dichter: „In der Kirche singen immer die am lautesten, die falsch singen.“

Wo man dessen ungeachtet aber doch dazwischengrätschen muss – meint jedenfalls Koch –, ist, wenn ausgerechnet ein Jerome Boateng, ein Sami Khedira oder ein Mesut Özil das „Einigkeit und Recht und Freiheit“ kollektiv nicht über die Lippen bringen. Weil sie damit, wohl eher gewollt als ungewollt, ein ungutes Signal aussenden, nämlich: „Seht her, ich bin zwar Deutscher! Auch spiele ich für die deutsche Fußballnationalmannschaft! Aber so deutsch, dass ich die deutsche Nationalhymne mitsingen würde, bin ich nun auch wieder nicht! Das mögen doch bittschön die ganz Deutschen tun!“ Und schwups haben wir wieder eine Zweiklassengesellschaft, die eigentlich niemand wollen kann!

Übrigens: Der Deutsche Fußballbund lässt seit Jahren einen wunderschönen Werbespot über die Fernsehbildschirme flimmern, der dem Thema Integration am Beispiel der Nationalmannschaft einen tollen Steilpass liefert. Wozu es dann aber gar nicht passt, wenn Mitglieder dieses Teams selber den Pass im wirklichen Leben ins Leere laufen lassen. Und: Was ist denn das für ein verkrampftes Verständnis von multikultureller Identität, das glaubt, sich einer Nationalhymne verweigern zu müssen, die genau das besingt, was eine Gesellschaft erst so richtig offen macht, nämlich eben „Einigkeit und Recht und Freiheit“?

Weshalb das kurz vor dem Abpfiff dieses Beitrags hier mein Wunsch wäre: Ich würde gerne Jerome Boateng, Sami Khedira, Mesut Özil und andere bei Deutschland gegen die Niederlande, gegen Dänemark und so weiter die deutsche Nationalhymne mitsingen sehen – als Zeichen dafür, dass man gerade als Deutscher auch Boateng, Khedira oder Özil heißen und gleichwohl das bleiben und auch dazu stehen kann, was man ist, nämlich ein Mensch mit einer ganz eigenen Familiengeschichte. Und wäre das nicht ein starkes Zeichen? Jedenfalls wenn das wirklich so käme, stünde es künftig bei Deutschland gegen wen auch immer schon vor dem Anpfiff eins zu null, und zwar eins zu null für die Integration.

Das meint Koch. Und was meinen Sie?

Getaggt mit , , , , , , , , , , , , , , , ,