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Es wäre so schön gewesen

Es wäre so schön gewesen, wenn Deutschland gegen Italien gewonnen hätte. Weil dann Deutschland zusammen mit Spanien im Finale der Fußball-Europameisterschaft gestanden wäre. Und die Stuttgarter Nachrichten im Blick darauf eine letzte „Kabinenpredigt“ hätten abdrucken können. Die im Übrigen zumindest gedanklich schon geschrieben war, als Jogis Jungs ihre Hoffnungen begraben mussten. Jetzt bleibt sie sozusagen ungehalten. Bis auf hier. Weil ich ihr wenigstens zu einer kleinen Kanzel verhelfen möchte, wo es die große wegen Deutschlands Ausscheiden nicht mehr gibt. Oder anders ausgedrückt: Ganz umsonst soll diese letzte „Kabinenpredigt“ nicht ersonnen sein.

In den Stuttgarter Nachrichten vom 30. Juni 2012 nie erschienen:

Eine ungehaltene Kabinenpredigt

„Als aber die Zeit erfüllt war“ (Galater 4,4), hat Deutschland Italien geschlagen. Darum jetzt die Krönungsmesse gegen Spanien. Angst vor „Tiki-Taka“? Falls ja, dann so: „Wenn die Angst Beine bekommt, fängt sie an zu tanzen.“ (Anke Maggauer-Kirsche) Also auf zum letzten Tanz, Jungs! Und: „Am Anfang steht der Glaube, am Ziel die Schau.“ (Aurelius Augustinus) Womit dem Kabinenprediger nur noch ein Amen bleibt und die Hoffnung, dass der große Shakespeare nicht ihn damit meint: „Um sein Ziel zu erreichen, zitiert sogar der Teufel aus der Bibel.“ Eine kleine Sünde ist der EM-Titel aber allemal wert.

Und damit war diese „Kabinenpredigt“ hier die letzte, die auch wirklich gehalten wurde:

Stuttgarter Nachrichten vom 28. Juni 2012

Kabinenpredigt

„Der Erfolg ruht in des Himmels Hand“, sagt Friedrich Schiller. O du Kleingläubiger! Da halten wir es gegen Italien doch lieber mit Johann Wolfgang von Goethe: „Zu allem Großen ist der erste Schritt der Mut.“ Oder mit der Bibel frei nach Pfarrer Koch: „Bis hierher, Azzurri, sollt ihr kommen und nicht weiter!“ (Hiob 38,11) Und sogar einen Trost hat der Kabinenprediger für die Italiener in aller Demut schon parat: „Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.“ Während wir uns „Papa Heuss“ und seinen Rekrutenspruch fürs Finale aufbewahren: „Nun siegt mal schön!“ Sprach’s und ging in eine Kapelle.

Wie man sich doch täuschen kann! Jedenfalls hat der Balotelli nicht nur Deutschland, er hat auch den Kabinenprediger versenkt.

Das meint Koch. Und was meinen Sie?

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Ach, wenn es doch immer so bliebe*

*Dieser Beitrag ist ursprünglich für die Rubrik „Die WM-Kolumne“ der Stuttgarter Nachrichten vom 10. Juli 2010 geschrieben.

Ich nenn’ sie einfach mal Martina. Martina ist ausgesprochen hübsch und meine erste große Liebe gewesen. Mit der es zwar so schnell zu Ende war wie mit den Italienern bei dieser Weltmeisterschaft. Aber immerhin hab’ ich mit Martina Deutschland schon mal gegen Uruguay um einen dritten WM-Platz spielen sehen. Das ist lange her. Später dazu mehr. Jetzt ist erst einmal Weihnachten dran.

Ja, Weihnachten! Alle vier Jahre nämlich ist Weihnachten für mich mitten im Sommer. Jedenfalls freu’ ich mich, wenn Fußball-Weltmeisterschaft ist, wie ein Kind zur Weihnachtszeit. Weil so eine WM was ganz Besondres ist und alles hat, was zu einem Fest dazugehört, Bescherung inklusive. Über die sich 2010 ja nicht klagen lässt. Oder hat jemand wirklich damit gerechnet, dass Jogis Jungs uns so begeistern würden? Achtelfinale hat auf meinem Wunschzettel gestanden. Aber in den Wochen vor Südafrika hab’ ich an die Erfüllung selbst dieses bescheidenen Wunschs so wenig geglaubt wie damals als Kind an den Schienenbus für meine Modelleisenbahn, den ich so, so sehr unterm Christbaum liegen sehen wollte. Und jetzt das Finale, wenn auch nur das kleine! Das ist, um im Bild zu bleiben, fast wie ein ICE auf dem Gabentisch und mithin „O du fröhliche“ pur. Dazu der Ausnahmezustand der vergangenen vier Wochen. Sinnbild dafür ist die Kaffeemaschine in unserem Büro: Um sie herum wird nur WM gesprochen in diesen Tagen, und das sogar von Kolleginnen, die für Fußball bislang nur ein „Igitt!“ übrighatten. Wobei die eine sagt immer noch „Igitt!“, der andern aber hat Arne Friedrich den Kopf verdreht. Und wie herrlich kann man unter Verweis auf eine WM-Kolumne, die noch zu schreiben ist, unliebsame Termine sausen lassen! Und wie einfach ist das mit dem abendlichen TV-Programm: Fußball, Fußball und nochmals Fußball! Und das alles soll jetzt schon zu Ende sein? „Ach, wenn es doch immer so bliebe“ schreibt meine Tastatur fast wie von selbst. Aber grad weil ich kein Kind mehr bin, wird mir im selben Augenblick klar: Weihnachten ist im Dezember und alle vier Jahre auch mitten im Sommer, aber keinesfalls immer.

Und doch: Zwei herrliche Tage liegen noch vor uns. Spanien und die Niederlande freuen sich auf ihren ersten Stern. Wir aber können Dritter werden gegen Uruguay. Was mich an 1970, Mexiko und eben Martina erinnert. Damals hat Deutschland 1:0 gewonnen, aber mehr als das Tor habe ich, glaub’ ich, nicht gesehen. Denn Martina war, wie gesagt, ausgesprochen hübsch.

Finale, Finale – und am Montag hat uns der Alltag wieder. „Gott sei Dank ist die WM vorbei!“ werden die Kolleginnen an der Kaffeemaschine sagen. Oder „Igitt!“ und dass das mit Arne Friedrich ja gar nicht stimmt. Dann wird statt WM auch wieder Kirchens gesprochen. Ein Termin jagt den andern und ich hinterher. Und abends die Fernsehqual der Wahl, die bei mir viel zu oft mit Rosamunde Pilcher endet. Wie es halt so ist, wenn Weihnachten vorüber und stattdessen Trinitatiszeit ist. Die Schwestern und Brüder im Herrn wissen, was ich meine.

Gibt es aber nicht vielleicht doch etwas, worauf sich ein fußballbegeisterter Gottesmann freuen kann? Ja, die Vollversammlung des Lutherischen Weltbunds demnächst in Stuttgart. Und wenn die vorbei ist, sind es nur noch ein paar Wochen, bis die Bundesliga wieder beginnt. Und spätestens dann schminke ich mir mein Schwarz-Rot-Gold ab und leg’ stattdessen ein kräftiges Rouge auf. Zwischen den Weltmeisterschaften nämlich bin ich ein Roter, und auch das mit durchaus kindlicher Begeisterung. Olé, VfB! Und damit Schlusspfiff! Danke, Jungs! Und: Jogi, bitte bleib!

Das meint Koch. Und was meinen Sie?

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